Aufruf zum bundesweiten Bildungsstreik 2009

Die derzAufruf zum bundesweiten Bildungsstreik 2009eitigen Zustände und Entwicklungen im Bildungssystem sind nicht weiter hinnehmbar! Weltweit sind Umstrukturierungen aller Lebensbereiche nicht mehr gemeinwohlorientiert, sondern den sogenannten Gesetzen des Marktes unterworfen. Seit ein paar Jahren ist auch das Bildungssystem in den Fokus solcher “Reformen” geraten: Bildungsgebühren und die Privatisierung treffen uns alle!

Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt deutlich, dass die Auswirkungen wettbewerbsorientierter Entscheidungskriterien verheerend sind. In vielen Ländern protestieren Menschen dagegen, so z.B. in Mexiko, Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland. In diesem internationalen Zusammenhang steht der Bildungsstreik 2009.

Der anhaltende Protest gegen Studiengebühren und Sozialabbau in den letzten Jahren hat bei den Verantwortlichen in Medien, Wirtschaft und Politik zu wenig Wirkung gezeigt. Deswegen rufen wir nun dazu auf, unsere demokratischen Rechte in Form eines bundesweiten Bildungsstreiks wahrzunehmen. Hier werden pluralistische Aktionsformen (Demonstrationen, Blockaden, Besetzungen etc.) ihren Platz finden. Während einer bundesweiten Aktionswoche vom 15.-19.06.2009 werden wir gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern im gesamten Bundesgebiet demonstrieren. Wir suchen das Bündnis mit vielen gesellschaftlichen Gruppen, wie Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, die wir ausdrücklich einladen, mit uns zu protestieren, denn wir sind überall mit der gleichen Politik konfrontiert: An der Hochschule, in den Schulen und im Betrieb.

Ziel des Bildungsstreiks ist es, eine Diskussion zur Zukunft des Bildungsystems anzuregen. Des Weiteren sollen Möglichkeiten einer fortschrittlichen und emanzipatorischen Bildungs- und Gesellschaftspolitk aufgezeigt und durchgesetzt werden. Dem Einfluss der maßgeblichen politischen und ökonomischen Interessen im Bildungsbereich setzen wir unsere Alternativen entgegen:

  • selbstbestimmtes Lernen und Leben statt starrem Zeitrahmen, Leistungsdruck und Konkurrenzdruck,
  • freier Bildungszugang und Abschaffung von sämtlichen Bildungsgebühren wie Studiengebühren, Ausbildungsgebühren und Kita-Gebühren,
  • öffentliche Finanzierung des Bildungssystems ohne Einflussnahme der Wirtschaft unter anderem auf Lehrinhalte, Studienstrukturen und Stellenvergabe
  • und Demokratisierung und Stärkung der Mit- und Selbstverwaltung in allen Bildungseinrichtungen.

Wir, die Projektgruppe Bildungsstreik 2009, rufen zur Bildung regionaler und lokaler Bündnisse auf. Bringt Euch in unsere bundesweiten Planungen ein: Ein anderes Bildungssystem ist möglich – und dringend nötig!

Projektgruppe Bildungsstreik 2009

ZUR LISTE DER UNTERSTÜTZER_INNEN

Erklärung der DGB Jugend NRW zum Bildungsstreik 2009

Aufruf zum bundesweiten Bildungsstreik 2009

Bildung ist ein Menschenrecht – und keine Ware!
Fast alle nationalen und internationalen Vergleichsstudien stellen dem deutschen Bildungswesen ein miserables Zeugnis aus: Die Zahl der Jugendlichen ohne Schul- und Berufsabschluss ist erschreckend hoch. Hauptschülerinnen und Hauptschüler haben nach wie vor kaum Chancen, direkt einen Platz in Ausbildung und Beruf zu ergattern. Migrantinnen und Migranten sind die Verlierer unseres Bildungswesens. Sie verlassen die Schule doppelt so häufig wie ihre deutschen Mitschülerinnen und -schüler ohne Abschluss. Fast eine halbe Million Jugendliche „verschwindet“ im Übergangssystem zwischen Schule und Beruf – die meisten von ihnen in Warteschleifen ohne Chance auf eine qualifizierende Ausbildung. Gleichzeitig gelingt es nicht, signifikant mehr Jugendliche für ein Studium zu qualifizieren. Menschen ohne Abitur, die sich im Berufsleben bewährt haben, bleiben die Türen zu den Hochschulen allzu oft verschlossen.
Wer Bildungsarmut bekämpfen will, muss soziale Barrieren abbauen. Der Staat muss ein exzellentes Bildungswesen für alle Menschen sichern und finanzieren. Bildung zu privatisieren oder die Kosten mehr und mehr auf die oder den Einzelnen abzuwälzen, kann ebenso wenig eine Alternative zu einem zukunftsfähigen Bildungswesen sein wie von Unternehmen finanzierte und kontrollierte Eliteeinrichtungen. Der Trend zu einem abgeschotteten privaten Bildungssystem verschärft die soziale Spaltung in der Gesellschaft.  Das beginnt beim teuren Luxus-Kindergarten und reicht bis zur privaten Hochschule.
Ohne die Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung lassen sich soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und wirtschaftlicher Wohlstand in Deutschland nicht erreichen. Die DGB-Jugend begrüßt deshalb die Ziele des Bildungsstreiks 2009, der sich für ein  sozial gerechtes und qualitativ gutes öffentliches Bildungswesen einsetzt.
Deutschland braucht eine gemeinsame nationale Bildungsstrategie von Bund, Ländern und Kommunen. Hierfür schlägt die DGB-Jugend zehn Punkte vor:

 

  1. Bildungsarmut bekämpfen:Die Chancen zur Teilhabe an Bildung und Ausbildung sind höchst ungleich verteilt. Um die VerliererInnen des deutschen Bildungssystems –  wie so genannte funktionale AnalphabetInnen, Jugendliche ohne Schulabschluss, junge MigrantInnenen – in die Gesellschaft zu integrieren und ihre Beschäftigungschancen zu erhöhen, muss ihnen Zugang zu Bildung und Ausbildung ermöglicht werden. Auf jeder Stufe unseres Bildungswesens muss es Rechtsansprüche geben – bis hin zum Recht auf Aus- und Weiterbildung.

 

  1. Privatisierung verhindern und Gebühren abschaffen:Bildung ist eine zentrale Investition in eine zukunftsfähige Gesellschaft. Die Privatisierung der Bildung kann nur gestoppt werden, wenn der Staat massiv in den Ausbau und in die Qualität des Bildungswesens investiert. Staatliche Subventionen für kommerzielle Bildungsträger darf es nicht geben. Für den DGB ist Bildung keine Ware, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Gebühren für Bildung verhindern gleiche Chancen auf Bildung für alle. Bildung muss für alle bezahlbar bleiben. Deshalb fordert die DGB-Jugend die Abschaffung aller Bildungsgebühren – von der Kita bis zur Hochschule.
  2. Ganztagsangebote ausbauen:Von Ganztagsangeboten in Kindergärten und Schulen profitieren Eltern wie Kinder. Sie sind einerseits Voraussetzung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Andererseits gewinnen Pädagoginnen und Pädagogen so den Spielraum für individuelle Angebote an die einzelnen Kinder und Jugendlichen. Die DGB-Jugend fordert deshalb die Fortsetzung des Ganztagsschulprogramms über das Jahr 2009 hinaus. Bund und Länder sollen mit einem Zwei-Milliarden-Euro-Programm 40.000 neue Stellen für SchulsozialarbeiterInnen schaffen.
  3. Kindergärten verbessern:Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf ganztägige Kinderbetreuung ist überfällig. Um soziale Chancengleichheit zu gewährleisten, muss vor allem die Qualität in der frühkindlichen Bildung verbessert werden. Bund und Länder sind aufgefordert, bundeseinheitliche Standards für die Aus- und Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzieher zu setzen.
  4. Eine gute Schule für alle Kinder einführen:Bis zu 80.000 SchulabbrecherInnen jährlich, immer weniger Studierende aus so genannten bildungsfernen Schichten – das muss sich ändern. Um mehr Chancengleichheit und Leistungsfähigkeit unseres Bildungswesens zu erreichen, brauchen unsere Schulen eine neue Philosophie: Fördern statt Auslesen. Das selektive Schulsystem muss überwunden werden. Auch in Deutschland müssen die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der 10. Klasse gemeinsam lernen. Die DGB-Jugend fordert daher die Einführung einer guten Schule für alle Kinder.
  5. Das Grundrecht auf Ausbildung sichern:Das  System der dualen Berufsausbildung ist nach wie vor das erfolgreichste, wenn es um den Übergang von der Ausbildung in den Beruf und in den Arbeitsmarkt geht. Doch immer mehr Jugendliche bewerben sich erfolglos um eine Ausbildung und verschwinden in so genannten Warteschleifen. Damit das Grundrecht auf Ausbildung abgesichert wird, muss das duale System mit neuem Leben erfüllt werden. Neben den tarifpolitischen Initiativen der Sozialpartner gehören dazu gesetzliche Rahmenbedingungen, die mehr betriebliche Ausbildung ermöglichen, zum Beispiel über Ausbildungsum- bzw. -zulagen. Außerbetriebliche Ausbildung kann betriebliche Berufsausbildung nicht ersetzen, sondern ergänzt diese. Mit zielgruppenorientierten Beratungsangeboten können Betriebe, Schulen und Bundesagentur für Arbeit die Jugendlichen beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt unterstützen. Ausbildungsbegleitende Hilfen sollten Standardangebot der Berufsausbildung sein, um benachteiligten Jugendlichen Abschlüsse zu ermöglichen.
  6. Hochschulen sozial öffnen:Zu wenig junge Menschen nehmen ein Studium auf, zu wenige schließen es erfolgreich ab. Bund und Länder müssen in einem „Hochschulpakt II“ einen Ausbau der Studienplätze gewährleisten, der der Nachfrage entspricht. Der Hochschulzugang muss für Menschen, die sich beruflich qualifiziert haben, bundeseinheitlich geöffnet werden. Kompetenzen aus der Fort- und Weiterbildung müssen auf ein Studium anrechenbar sein. Der DGB setzt sich dafür ein, die BAföG-Fördersätze regelmäßig anzupassen und den Darlehensanteil zu senken. Bundesweit müssen Studiengebühren gesetzlich verboten werden. Gute Studienbedingungen sind die Voraussetzung für ein erfolgreiches Studium. Deshalb müssen die Hochschulen besser ausgestattet, das Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden verbessert werden.
    Die Gewerkschaften begrüßen den Aufbau eines Europäischen Hochschulraums durch den Bologna-Prozess, weil sie sich die Erleichterung von Mobilität sowie eine bessere Qualität von Lehre und Studium erhoffen. Die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland läuft jedoch schlecht. Die neuen Studienstrukturen erschweren oft den Studienortwechsel und führen zu einem Anstieg der Abbrecherquoten. Statt die Betreuung der Studierenden zu verbessern, ist es zu einer höheren Belastung für das Personal und die Studierenden gekommen. Um ein Scheitern der Reform zu vermeiden, fordern die Gewerkschaften einen Kurswechsel bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses. Es muss der Grundsatz gelten: Qualität geht vor Tempo. Wir brauchen die sorgfältige Umsetzung einer Reform, die Qualität des Studiums und der Lehre nachhaltig verbessert.

 

  1. Weiterbildung solide finanzieren:Damit lebenslanges Lernen zum selbstverständlichen Teil der Biografie aller Menschen wird, brauchen wir ein neues solidarisches Weiterbildungssystem. Notwendig sind eine innovative betriebliche Weiterbildungspolitik, Initiativrechte der Betriebs- und Personalräte, mehr Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, eine Verpflichtung der Betriebe auf eine Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs sowie eine aktive staatliche Weiterbildungsförderung. Voraussetzung für Weiterbildung mit System sind gute Rahmenbedingungen. Dazu gehören neben einem Recht auf Weiterbildung rechtlich garantierte Lernzeiten, gute Finanzierung, mehr Beratung, die Einführung eines Erwachsenen-BAföG sowie eine bessere Qualitätssicherung und Zertifizierung. Das lässt sich in einem Bundesgesetz für Weiterbildung regeln.
  2. Gute Bildung und gute Arbeit im Bildungswesen gehören zusammen:Wer das deutsche Bildungswesen besser und gerechter machen möchte, braucht dafür ausreichend gut ausgebildetes und motiviertes Personal. Eine gute Ausbildung, angemessene Bezahlung und eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens und Respekts machen Bildungsberufe für den Nachwuchs interessant. Zurzeit steuert Deutschland auf einen gravierenden Fachkräftemangel im Bildungswesen zu. Wenn der Generationenwechsel gelingen soll, muss jetzt massiv um qualifizierte Fachkräfte geworben werden. Dazu gehört ganz vorne die Übernahme der jungen Menschen, die jetzt ihre Ausbildung abschließen, in Beschäftigung! Dazu gehören aber auch exzellente Arbeitsbedingungen, eine deutlich bessere Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher, die Reduzierung der Pflichtstunden für Lehrkräfte, kleinere Klassen, eine Verpflichtung zur Weiterbildung und ein massiver Ausbau guter Angebote zur Weiterbildung.
  3. Mehr Geld in Bildung investieren:WennDeutschland zur Weltspitze in der Bildung aufschließen soll, müssen die Ausgaben für Bildung und Wissenschaft auf sieben Prozent des BIP steigen. Ohne den Aufwand für Bauinvestitionen sind dafür jährlich mindestens 30 Milliarden Euro zusätzlich erforderlich.