Zum Drogenkonsumraum am Neumarkt

Zum Drogenkonsumraum am NeumarktSo viel Bürgernähe war selten: Der Sitzungssaal barst aus allen Nähten, als die Oberbürgermeisterin am 29. Juni 2017 ihren Antrittsbesuch in der Bezirksvertretung Innenstadt machte. Ursächlich für die drangvolle Enge war aber auch die anberaumte aktuelle Stunde zum geplanten Drogenhilfeangebot mit Drogenkonsumraum am Neumarkt. Eine flugs gegründete Bürgerinitiative wusste zu mobilisieren, weshalb nicht nur die Raumluft knapp, sondern auch die Atmosphäre äußerst gespannt war. Nachdem Frau Reker ihre großzügig angelegten Pläne zum Ausbau partizipatorischer Elemente erläutert hatte, leitete Sozialdezernent Dr. Rau fachlicherseits zum Neumarkt über. Anschließend hatten die geladenen Geschäftsleute und Immobilienbesitzer der IG Zukunft Neumarkt Gelegenheit, ihren konträren Standpunkt darzulegen. Sie untermauerten ihre ablehnende Haltung gegenüber dem geplanten Standort, erwarten eine Zunahme von Kriminalität und Drogentourismus, fühlen sich schlichtweg nicht mitgenommen.

Die diskutierten sachlichen Thesen von Politik und Verwaltung wurden immer wieder von Zwischenrufen unterbrochen, während die geschilderten Endzeit-Szenarien der Anwohner*innen lautstark beklatscht wurden. Frau Reker wusste hier mäßigend, aber auch maßregelnd einzugreifen: “Keiner von uns sollte annehmen, er könne bestimmen, was in seiner Nachbarschaft passiert. Ich bitte Sie, mitzuarbeiten und abzuwarten.” Die OB stellte unmissverständlich klar, dass sie über ausreichend sozialpolitische Erfahrungen verfüge und dass auch ihr Verständnis von Bürgerbeteiligung Grenzen habe. Ähnlich argumentierte die Linksfraktion, die auf die Bürgerinformationsveranstaltung verwies, die am 15. Mai hochkarätig besetzt im VHS-Gebäude am Neumarkt stattgefunden hatte.

Wir erklärten, dass diese Veranstaltung natürlich nicht dafür ausgelegt war, mal unverbindlich bei der Bürgerschaft nach der Akzeptanz von Drogenkonsum in ihrer Nähe anzufragen. Vielmehr bot sie den verschiedenen Akteuren (Gesundheitsamt, Drogenhilfe, Sozialdezernat, Polizei und Ordnungsamt) die Möglichkeit, über Chancen und Perspektiven der notwendigen Einrichtung eines Konsumraums in Konsumentennähe zu informieren. Wir machten deutlich, dass es hier um die Umsetzung längst gefällter Beschlüsse geht, die Politik und Verwaltung gemeinsam tragen und zu verantworten haben. Es werde nun endlich versucht, die jahrzehntelang bekannten Probleme, wenn auch nicht zu lösen, so aber doch wenigstens einzudämmen und sozial abzufedern. Angelehnt an die Projekte, welche in anderen Städten längst etabliert sind und eingebettet in bewährte ordnungspartnerschaftliche Strukturen; konzeptionell begleitet und umfassend evaluierbar. Es wird einem nicht gedankt.

Marco Jesse, Geschäftsführer des Vereins für innovative Drogenhilfe Vision e.V., wusste weitere fachliche Argumente für die Einrichtung des Konsumraums einzubringen. Ob diese ein Stück weit verfangen haben, bleibt abzuwarten. Auch wenn die Befürchtungen der Anwohnerschaft wesentlich irrational begründet sein mögen, so gilt es doch, diese ein Stück weit ernst zu nehmen. Die kurzfristige Terminierung weiterer Infoveranstaltungen und die zwischenzeitliche Einrichtung eines “Runden Tischs Neumarkt” sind daher zu begrüßen, ermöglichen sie doch den konstruktiven Dialog von Bürgern und Bürgerinnen, Geschäftsleuten, Ämtern, Polizei und Politik.

Die in der Bezirksvertretung geführte Debatte erwies sich leider nicht nur emotional, sondern auch als zeitlich ziemlich erschöpfend. Aufgrund der Dichte ihrer Termine, konnte die Oberbürgermeisterin keine weiteren Themen mit uns diskutieren, obschon wir sie gerne noch zur Zuständigkeitsordnung, zum Römisch-Germanischen Museum und zum Wohnraumdefizit in der Innenstadt befragt hätten. Andererseits galt es noch rund 90 weitere Tagesordnungspunkte aufzurufen und abzuarbeiten…

Michael Scheffer

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