Pflegetarife: Schlupflöcher eingeplant

Pflegetarife: Schlupflöcher eingeplantEines ist doch allen klar (außer der FDP natürlich): Die Situation in der Pflege ist dramatisch.
Es gibt zu wenig Personal, das Personal wird zu schlecht bezahlt, der Stress ist zu hoch, die Pfleger und Pflegerinnen werden zu schlecht behandelt. Was tun?


Nun hat die Bundesregierung ein Gesetz geplant, nach dem Arbeitgeber nur noch dann Mittel mit der Pflegeversicherung abrechnen können, wenn sie gemäß „einem“ Tarifvertrag bezahlen. Ohne Tarifvertrag kein Geld. Hört sich erstmal gut an, hat aber einen Haken!

Ein Tarifvertrag für alle

Besser wäre es gewesen, wenn der Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sich mit seiner ursprünglichen Idee durchgesetzt hätte: Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Dieses schöne Wort bedeutet, dass ein bestehender Tarifvertrag für alle gilt; er wird allgemein für verbindlich erklärt. Das kann man zur Not einklagen. In Frage gekommen wäre wohl der Tarifvertrag, den die DGB-Gewerkschaft verdi mit der „Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche“ BVAP abgeschlossen hat. Examinierte Altenpflegekräfte verdienen danach mindestens einen Stundenlohn von 18,50 Euro. Allerdings vertritt die 2019 gegründete BVAP nur einige Arbeitgeber, z.B. die Arbeiterwohlfahrt. Der Caritas und gar dem bpa mit seinem Vorsitzenden R. Brüderle war das zu viel und so brachten sie diese Idee zu Fall.

“Haustarifverträge” als Schlupfloch

Von ca. 1,2 Millionen Beschäftigten in der Pflegebranche arbeiten die Hälfte nach einem Tarifvertrag, die Hälfte nach keinem. Die nun geplante Regelung lässt den kniestigen Arbeitsgebern die Hintertür eines „Haustarifvertrages“ offen. Das ist dann zwar „ein“ Vertrag, aber nichts garantiert eine anständige Bezahlung. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass Unternehmer ein paar Strohmänner* beauftragen, eine „Hausgewerkschaft“ zu gründen mit evt. wenigen Mitgliedern und sich dann einen passenden Tarifvertrag ausdenken.
Eine wasserdichte Lösung des Pflegenotstands ist dieses Tariftreue-Gesetz nicht – ganz abgesehen davon, dass „Peanuts“ nicht weiter helfen und nur eine radikale Lohnerhöhung dem Problem überhaupt gerecht wird.


Jürgen Seitz