Katastrophale Ratsentscheidung –
doch der Kampf für Verkehrswende und gegen den Tunnel geht weiter!

Was genau hat der Rat am 3. April beschlossen?
Die Tunnelparteien CDU,SPD,FDP haben im ersten Satz die Tunnelvariante vom Heumarkt bis zum Aachener Weiher mit Abzweig Mauritiusviertel zur weiteren Planung beschlossen, den die Verwaltung seit 6 Jahren ausgearbeitet hat.
Im zweiten Satz geben sie jede Menge Änderungen als Prüfauftrag an die Verwaltung, weil sie ja eigentlich einen ganz anderen Tunnel wollen, nämlich einen viel längeren Megatunnel, unter dem Rhein her bis weit in den Westen, mit Abzweig unter der Dürener Straße her.
Grund für diesen widersprüchlichen Beschluss ist die Frist für die jetzige Fördergeld-Runde, für die bis 31. Juli ein Projekt beim ÖPNV-Bedarfsplan NRW eingereicht werden muss. Der Megatunnel ist bis dahin nicht planbar. Darum wollen die Tunnelparteien erstmal den Verwaltungstunnel einreichen und dann schauen, ob sie die vielen Änderungen im Hinblick auf Verlängerung durchbekommen. Das ist aber für die jetzige Förderrunde sehr unwahrscheinlich, worauf das NRW-Verkehrsministerium bereits hingewiesen hat. Der Mega-Tunnel ist ein ganz anderes und noch viel teureres Projekt.
Warum sind die Grünen aus der Ratssitzung ausgezogen?
Das wissen nur sie selber. Im Hinblick auf die AfD war es überflüssig. Die Tunnelbefürworter hatten mit der Oberbürgermeisterin 45 Stimmen, die Tunnelgegner 42, auch wenn alle anwesend und niemand krank ist. Es gab also eine relative Ratsmehrheit für den Tunnel, auch ohne die 4 AfD Ratsmitglieder. Der Auszug der Grünen hat nur dafür gesorgt, dass es dann eine große Mehrheit von 49 zu 14 für den Tunnel gab.
Marketing-Sprüche statt Fakten – wie die Tunnelbefürworter argumentieren
Zu keinem Zeitpunkt haben die Tunnelbefürworter mit belastbaren Zahlen und Fakten argumentiert, stattdessen mit wolkigen Marketing-Worthülsen: „modern“, „zukunftsfähig“, „generationsübergreifend“. Dazu mit aufbereiteten Fake-Grafiken begrünter autofreier Straßenlandschaften, welche beide Lokalblätter regelmäßig getreulich abdruckten.
Verwiesen wird gern auf andere „Metropolen“, denen Köln nacheifern müsse. Köln hat aber kein geschlossenes Metrosystem wie Paris, Madrid, Mailand, sondern eine Unterpflasterbahn mit nur 16 Prozent des 250-km-Liniennetzes unter der Erde. Ein paar teure Tunnelkilometer mehr werden daraus keine U-Bahn und aus Köln keine „Metropole“ machen.
Welche Verkehrspolitik ist „modern“?
Die Stadt der Zukunft ist eine Stadt der kurzen Wege, mit hoher Aufenthaltsqualität für Zufußgehende. Modern ist,
- wenn Bus & Bahn pünktlich kommen,
- zuverlässig sind und
- in dichter Taktfolge, so dass es nicht schlimm ist wenn man eine verpasst oder sich nicht noch hinein quetschen mag, wenn sie voll ist.
- Modern sind barrierefreie Haltestellen und
- funktionierende Aufzüge und Rolltreppen.
Das Tunnelkonzept ist rückwärtsgewandt, bezieht sich ausdrücklich auf den Stadtentwicklungplan von 1956. Straßenraum wurde damals autozentriert geplant, die Tram „störte“ und wurde entweder abgeschafft oder unter die Erde gelegt. Und die unterirdischen Strecken in Nippes, Ehrenfeld oder Kalk sowie auf den Ringen, welche die Tunnelanhänger gern heranziehen, waren ebenfalls nicht alternativlos und seinerzeit hoch umstritten. Sie haben zu mehr Durchgangsverkehren dort geführt und während des Baus oder in der Folge so manchen inhabergeführten Geschäften den Garaus gemacht. Modern sind autofreie Citys und Stadtteilzentren.
Seit dem Jahrtausendwechsel geht der Trend wieder Richtung Straßenbahn, die weltweit in über 100 Städten eine Renaissance erlebt. Denn sie ist das preiswerteste, ökologischste und barrierefreieste Transportmittel im ÖPNV mit der höchsten Nutzen-Kosten-Effizienz. In Europa ist Frankreich der Vorreiter: In 26 Metropolregionen hat man sich bewusst gegen U-Bahn und für den Wiederaufbau von Straßenbahnnetzen entschieden.
Miserable KVB Betriebsqualität wird mit „Metro“- Fantasien ausgeblendet
Die miserable Performance der KVB, ein Resultat gründlicher Managementfehler, die die Mitarbeiter:innen im Fahrdienst ausbaden müssen, hat dazu geführt, dass nach dreifach ausgedünntem Fahrplan im Jahr 2024 120.00 Stadtbahnfahrten ausfielen. Eine Folge ist, dass immer mehr Fahrgäste frustriert aufs Fahrrad oder – besonders die Pendler – wieder ins Auto steigen. Statt sich mit dieser Realität zu befassen, fantasiert man über „Metrolinien“.
Eine Umbenennung bestehender Linien in „Metrolinien“, die in der Theorie in einigen Jahrzehnten mit 90m-Langzügen wie eine S-Bahn auf eigenen Gleiskörpern durch die Stadt brausen, helfen hier nicht weiter. Eine Stadt, die noch nicht mal die Probleme von heute nicht in den Griff bekommt, wird solche Träume kaum umsetzen.
Wenn alle Vororte endlich Schienenanschluss bekämen, könnten diese auch von Pendler:innen aus dem Umland genutzt werden, per Umstieg oder per Park & Ride. Ein solcher Ausbau, der in Köln ungefähr 100 zusätzliche Schienenkilometer erfordert, ist schnell, kostengünstig und schrittweise, in überschaubaren Projekten möglich.
KVB Vorstand orientiert auf weitgehenden Stopp des Ausbaus
Aber gerade diese sinnvollen Ausbauprojekte – die Veedel anbinden, die Querverbindungen schaffen, die Lücken schließen ,– genau diese stehen aus Spargründen auf der Streichliste des KVB-Vorstands, die letztes Jahr dem Aufsichtsrat vorgelegt wurde. Nur am Tunnel will man festhalten.
Zu keinem Zeitpunkt haben KVB-Vorstand und die Tunnelfraktionen das gesamte Netz im Blick, dessen Ausbau Entlastung für die Innenstadt schaffen würde. Es gab immer nur den Tunnelblick auf die City.
Welchen Nutzen brächte ein Tunnel auf der Ost-West-Achse?
Die Tunnelparteien benennen den faktischen Nutzen eines Tunnels nicht, weil er so minimal ist. Darum tun wir’s mal:
- Ausgangspunkt war die Kapazitätserhöhung auf der Ost-West-Achse. Diese wird erzielt mit den längeren 90m-Bahnen, und nur auf der Linie 1; der Tunnel fügt dem kein Quäntchen hinzu.
- Die Fahrtzeitverkürzung wird offiziell mit 3-4 Minuten angegeben; aber dies gilt nur für Fahrgäste, die durch die City durchfahren ohne aus- oder umzusteigen, etwa von Weiden nach Bensberg. Der Ein- Aus- und Umstieg in bis zu 4 Tiefebenen frisst den minimalen Zeitvorteil wieder auf.
- die angeblich größere Störungsfreiheit des KVB-Betriebs ist ebenfalls nicht in Sicht, denn da über 80% des Netzes weiterhin oberirdisch liegen, wirken sich Störungen auch im Tunnel aus, eben weil wir kein geschlossenes Metrosystem haben.
- die City soll stadträumlich schöner werden. Doch was zwischen Heumarkt und Rudolfplatz stört, ist nicht die Straßenbahn, sondern der Durchgangsverkehr und das Parken im öffentlichen Raum statt in Parkhäusern.

Fördergelder wofür?
Für diesen minimalen Nutzen sollen Milliardenbeträge aufgewendet und die Innenstadt für Jahrzehnte aufgerissenen werden. Ach ja, wir bekommen ja bis zu 90% Fördergelder von Bund und Land.
Dazu ist wichtig: Förderzusagen beziehen sich auf den Kostenstand bei der Bewilligung. Mehrkosten bleiben ganz überwiegend bei der Stadt hängen. Bei der Nord-Süd-Stadtbahn wurde das gleiche Märchen von den 90% erzählt. 10 Prozent von den ursprünglich veranschlagten 550 Millionen Euro wären 55 Millionen gewesen. Tatsächlich beläuft sich der städtische Eigenanteil mittlerweile auf 1,1 Milliarden Euro, wie die Verwaltung 2024 auf anhaltendes Drängen der Linken im Rat schließlich mitteilte (Mitteilungsnr. 3040/2024). Das ist eine ganz ähnliche Dimension wie die endlose Opernsanierung. Nicht mitgerechnet sind die Kosten des Stadtarchiv-Unfalls, die separat erfasst wurden.
Zudem sind auch Fördermittel unser aller Steuergelder, die für sinnvolle Vorhaben eingesetzt werden sollten – übrigens egal in welcher Stadt. Für Köln könnten für all die sinnvollen oberirdischen Ausbauprojekte Fördergelder beantragt werden, die jetzt auf Eis liegen, das schreibt selbst die Verwaltung in ihrer Vorlage. Womöglich hätten sie sogar besserer Chance auf den Zuschlag, weil sie einen viel höheren Nutzen haben.
Der Tunnel blockiert die Verkehrswende in Köln – schon jetzt!
Doch schon jetzt blockiert das Tunnelprojekt viele andere Maßnahmen. So teilte die Verwaltung im Juni 2024 mit, die Verlängerung der Gürtellinie 13 bis zum Rhein könne sie mangels Personalressourcen nicht weiterverfolgen. Dieses Projekt würde die einzige ringförmige Verbindung linksrheinisch schließen und mehr Umsteigemöglichkeiten schaffen. Es ist vorgeplant, förderfähig, mit hoher Zustimmung bei der Öffentlichkeitsbeteiligung. Es ist ein Jammer, dass ein so gut vorbereitetes Projekt nun wegen der Priorität für den Tunnel liegen bleibt.
Schon während der letzten 20 Jahre Bauzeit der Nord-Süd-Stadtbahn lag der oberirdische Netzausbau faktisch lahm, nur 3,5 Schienenkilometer kamen hinzu. Darum hat Köln im Vergleich zu anderen Großstädten einen Riesen Nachholbedarf beim Netzausbau. Mit dem Ost-West-Tunnel würde das in den nächsten Jahrzehnten so bleiben. Das ist alles andere als „modern“ und „zukunftsfähig“.
Wie geht es weiter?
Das Thema Tunnel ist noch lange nicht durch. Die Anmeldung beim ÖPNV-Bedarfsplan ist noch lange keine Förderzusage. Die Planungen für die zahlreichen Änderungen im Hinblick auf den Megatunnel werden bis Ende 2028 dauern. Die Förderfähigkeit mit all den Änderungen steht noch stärker in Frage.
Es braucht noch etliche Folgebeschlüsse im Rat. Und bei der Kommunalwahl am 14. September werden die Karten neu gemischt. KVB sanieren und ausbauen – oder eine vorhandene Stadtbahn eine oder zwei Etagen tiefer legen? Die Bürger:innen werden die Wahl haben.
Was kann man jetzt tun?

Die linke Ratsfraktion lässt aktuell die Klagemöglichkeiten gegen den Ratsbeschluss wegen der zahlreichen Formfehler prüfen. Tatsächlich lag die Planung der oberirdischen Variante den Ratsmitgliedern gar nicht vollständig vor. Es wird sich zeigen, ob der Rechtsweg aussichtsreich ist, den Beschluss zu revidieren.
Ganz aktuell haben die Grünen ein Bürgerbegehren angekündigt, um den Ratsbeschluss zu kassieren. Dafür müssten 25.000 Unterschriften gesammelt werden. Das wäre noch keine Entscheidung in der Sache, sondern nur die Frage: Sollen die Bürger:innen über das Projekt entscheiden – ja oder nein? Immerhin, das wäre ein konkreter Schritt, um die Chance auf eine Verkehrswende in Köln offen zu halten. Wir, die Linke, stehen bereit, uns jetzt an der Beratung über so ein Vorhaben konstruktiv zu beteiligen.
Und wir werden weiterhin den Widerstand gegen den Tunnel organisieren, die Menschen informieren und aufklären, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und allen demokratischen Kräften, die sich für eine baldige Verkehrswende in Köln einsetzen.