Das Potemkinsche Dorf einer „Bürger*innen-Beteiligung“

Ungefähr 350 Teilnehmer*innen hatten sich am 17.03.2018 auf Einladung von Verwaltung und Kölner Verkehrsbetriebe im Historischen Rathaus eingefunden, um am angekündigten Dialog über den geplanten Ausbau der Ost-West-Achse teilzunehmen. Dieser soll nach Ankündigung der Veranstalter in einer Empfehlung an den Rat der Stadt zugunsten einer der fünf vorgeschlagenen Varianten münden.

 

Vorliebe für eine Tunnel-Variante bei Verwaltung und Kölner Verkehrsbetrieben

Die Anmoderation führte noch die Neutralität der Verwaltung, wie auch der Kölner Verkehrsbetriebe hinsichtlich der Frage „oberirdisch“ oder „unterirdisch“ an. Doch hielten sich deren Vertreter nicht lange mit solch hinderlichen Anforderungen auf. Frau Verkehrsdezernentin Blome begründete in Ihrer Begrüßung ihre Vorliebe für eine Tunnel-Variante damit, dass sie schon in der Düsseldorfer Stadtverwaltung für den Bau einer U-Bahn verantwortlich war. Da fragt man sich, ob Frau Blome diesem Argument selber ernsthaft irgendwelche Überzeugungskraft beimisst. Befürchtend, dass sie die Frage mit „Ja“ beantworten würde, ist man froh, dass sie nicht vor ihrer Kölner Tätigkeit in der Arktis für den Bau von Pinguin-Waschanlagen verantwortlich war.

 

Der Vorstandsvorsitzende der Kölner Verkehrsbetriebe, Herr Fenske, bemühte sich zumindest vordergründig um mehr intellektuelle Überzeugungskraft. Auch er zieht einen Tunnel vor und führte zur Begründung an, das große Vorbild im Öffentlichen Personennahverkehr Wien verfüge über ein geschlossenes U-Bahn-Netz. Dies ist bei einer zu 90 % oberirdischen Trassenführung in Köln ein fadenscheiniger Vergleich. Und ob sich die daraus ergebenden Probleme durch ein kleines Stückchen U-Bahn von wahlweise wenigen hundert Metern bis zu geschätzten 2,5 km im Innenstadtbereich beheben lassen, ist zu bezweifeln.

 

Bunte Bilder ohne Fakten

Danach stellte die Stadtverwaltung vier unterirdische und eine oberirdische Variante in vielen bunten Werbebildern dar. Diese zeigten hauptsächlich Fußgänger*innen und gaben urbanes Leben in all seiner Entspanntheit und Buntheit wieder. Nur bei genauem Hinsehen fiel auf, dass die heute vierspurig den Heumarkt durchschneidende Autostraße immer noch in eben dieser Breite auf den schönen bunten Bildchen existierte. Die durch und durch positive Gesamtanmutung der Bilder entsprang dem Umstand, dass auf dieser gemalten vierspurigen Auto-Straße keine Autos zu sehen waren.

 

Die wirklich wichtigen Fragen wurden konsequent ausgespart: Welche Bauzeiten ergeben sich für die unterschiedlichen Varianten? Wie sehen diese für unterschiedlich lange Tunnel aus? Welche Ergebnisse gibt es hinsichtlich der Aussichten auf Zuschüsse von Bund und Land? Welche finanzielle Belastung der Stadt Köln folgt daraus bei den einzelnen Varianten? Welche personellen Ressourcen der Stadtverwaltung benötigen die unterschiedlichen Varianten? Der sogenannte Informations-Input der Verwaltung beantwortete diese Fragen nicht. Dann wäre unter anderem deutlich geworden, dass ein Tunnel die dringend notwendige Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs hinauszögert und insgesamt gefährdet. Denn er verlängert die Bauzeit und bindet große personelle Ressourcen.

 

Den Teilnehmer*innen fehlte somit jegliches Rüstzeug, um dieses Thema anschließend in kleinteiligen Gruppen zu beraten. So konnten sie an ungefähr 10 vorbereiteten Tischen mit Mitarbeitern der Verwaltung wie auch der Kölner Verkehrsbetriebe und untereinander einzelne Aspekte der unterschiedlichen Varianten diskutieren und Meinungssplitter in Form von handschriftlichen Botschaften auf Zetteln an Stellwänden hinterlassen. Doch führte die Agentur, die die Stadtverwaltung extra zu diesem Zweck engagiert hatte, mit dem gesamten ihr zur Verfügung stehenden Repertoire nur den Anschein einer intensiven Diskussion auf. Klammerten doch die für die inhaltliche Diskussionsgestaltung Verantwortlichen die entscheidenden Gesichtspunkte zuvor bewusst aus. Und die organisierte Kleinteiligkeit der Diskussionsstrukturen zielte darauf ab zu verhindern, dass die Teilnehmer*innen diesen Mangel zum gemeinsamen Thema und kollektiven Gesichtspunkt der Diskussion machten.

Verwaltung und Kölner Verkehrsbetriebe ziehen positive Bilanz

Im anschließenden kurzen Plenum überwog die Neigung zur oberirdischen Lösung spürbar, wenn auch nicht überwältigend. Es gab deutliche Kritik daran, dass die Tunnel-Varianten letztendlich dazu dienen, den Auto-Verkehr besser rollen zu lassen. Kritik an der inhaltlichen Vorbereitung und Ausgestaltung der Diskussion blieb von der Verwaltung und den Kölner Verkehrsbetrieben unkommentiert und vor allem unbeantwortet. Frau Blome und Herr Fenske beschränkten sich in ihrem jeweiligen Schlusswort darauf auszuführen, dass sie die Diskussionen an den jeweiligen Tischen „gaaaanz toll“ gefunden hätten. Sie betonten, dass dies erst der Auftakt des Dialogs gewesen sei.

 

Nach ihrem Willen soll am 30.06. eine zweite Versammlung eine Empfehlung an den Rat abgeben. Selbst die für diesen Gesprächsprozess eigens engagierte Agentur konnte oder wollte in einer knapp 15minütigen Powerpoint-Präsentation nicht verraten, wie diese Entscheidungsfindung organisiert werden soll. Und tatsächlich bleiben Fragen über Fragen: Findet am 30.06. eine Abstimmung statt? Wenn ja, woher beziehen die Teilnehmer*innen einer solchen Abstimmung ihre Berechtigung, dem Rat eine Empfehlung zu geben? Wenn es keine Abstimmung gibt, wer formuliert aufgrund welcher Erfahrungen in welchen Diskussionen die Empfehlung an den Rat? Frau Blome? Herr Fenske? Beide?

 

Der Verlauf dieser Auftakt-Veranstaltung lässt auf alle Fälle befürchten, dass diese beiden Verantwortlichen alles dafür tun wollen, diesen Diskussionsprozess inhaltlich möglichst blutleer zu gestalten. Die jeweiligen Folgen einer ober- wie einer unterirdischen Lösung für die Entwicklung des gesamten Öffentlichen Personennahverkehrs in Köln und deren zeitliche Dimensionen sollen unberücksichtigt bleiben. Sie wollen am Ende ihre persönliche Vorliebe einer möglichst langen Tunnel-Variante trotz der damit verbundenen negativen Auswirkungen auf den Öffentlichen Personennahverkehr dem Rat als das Ergebnis der „Bürgerbeteiligung“ vorschlagen.

Wie geht es weiter?

Diese Strategie können wir nur durchkreuzen, indem sich möglichst viele Bürger*innen bei den einzelnen Begehungen und Veranstaltungen einmischen und die für die Tunnel-Befürworter unangenehmen Fragen und Aspekte zum Gegenstand dieser Diskussion machen.

 

Folgende Veranstaltungen finden statt

aus Sicht der der Anwohner und Anrainer am 13. und 21.04,

aus Sicht der ÖPNV-Nutzer am 20.04. und 05.05.

und aus Sicht des Individualverkehrs am 12.04. und 04.05.

 

sowie am Abschluss-Plenum am 30.06.

 

(Anmeldung nach Auskunft der Verwaltung noch bis zum 27.03. möglich – näheres auf der Internet-Seite der Stadt Köln unter www.stadt-koeln.de)