Schwarzbuch Bundeswehr – Zusammenfassung

Schwarzbuch Bundeswehr - ZusammenfassungZusammenfassung des “Schwarzbuch Bundeswehr”

Das Schwarzbuch Bundeswehr befasst sich kritisch mit dem Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr, das von der Bundesregierung, federführend vom Verteidigungsministerium herausgegeben wird.

Das Schwarzbuch Bundeswehr wird von der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und der Rosa Luxemburg Stiftung herausgegeben und bezeichnet sich selbst als „Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der Bundeswehr“:

Das Weißbuch Bundeswehr vermittelt den Eindruck, dass die Bundesregierung einem von außen aufgezwungenen Sachverhalt folgend, in militärische Konflikte hineingedrängt werde. Dabei soll es immer um Terrorabwehr, Stabilisierung oder Friedenssicherung gehen. Wenn man dazu allerdings ein Fazit zu den Einsätzen ziehen sollte, müsste man feststellen, dass sie nicht besonders erfolgreich sind. Dort, wo die Groß- und Mittelmächte, und mit ihnen Deutschland, militärisch eingegriffen haben, wurden Krisen verschärft, oft auch erst geschaffen. Die vermeintliche Medizin ist maßgebliche Mitverursacherin des Leidens: oft jahrelanges militärisches Eingreifen von außen haben den Zerfall Afghanistans, Iraks, Syriens und Libyens ausgelöst oder befördert. Dies wird im Weißbuch verschwiegen. Es ist auffällig, dass kein einziger der zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr bilanziert wird. Was wurde 2001 versprochen, als die Armeen zahlreicher Länder unter Führung der USA nach Afghanistan geschickt worden sind? Wie viele Opfer hat der Krieg gefordert, was hat er gekostet, wie hat der Afghanistaneinsatz die Bundeswehr verändert? Nicht eine dieser Fragen wird im Weißbuch, dem „obersten sicherheits- und verteidigungspolitischen Grundlagendokument“, gestellt, geschweige denn beantwortet.

Aus dem Kontext des Buches erkennt man auch die neue deutsche Rolle in der Welt, die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine militärisch-politische Grundlage hat.

Ähnlich problematisch ist das Verhältnis zu den Atomwaffen. Es fällt kein kritisches Wort zur Modernisierung der US-amerikanischen Atomwaffen in Büchel. (Dies deckt sich im Übrigen auch mit einem Beitrag des Magazins Panorama vom 2. Februar 2017, der die Gefahr eines Atomkriegs beschwört, wenn den Atomwaffen Russlands keine in Europa stationierten Atomwaffen gegenüberstehen.)


Schwarzbuch Bundeswehr - Zusammenfassung

Das Weißbuch über sich selbst:

Das Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr ist das oberste sicherheitspolitische Grundlagendokument Deutschlands. Es nimmt eine strategische Standort- und Kursbestimmung für die deutsche Sicherheitspolitik vor. Damit ist es der wesentliche Leitfaden für die sicherheitspolitischen Entscheidungen und Handlungen unseres Landes. Das Weißbuch definiert den sicherheitspolitischen Handlungs- und Gestaltungsanspruch Deutschlands. Es ist Ausdruck unseres sicherheitspolitischen Selbstverständnisses. Auf Basis unserer Werte und nationalen Interessen und der Analyse des sicherheitspolitischen Umfelds formuliert es Deutschlands strategische Prioritäten und setzt diese in Gestaltungsfelder deutscher Sicherheitspolitik um.


Im Weißbuch formuliert der Heeresinspekteur die Situation zu Russland folgendermaßen: Russland drängt als flächenmäßig größter Staat der Erde mit Macht in die Rolle des einstigen weltpolitischen Akteurs. Es will seine Weltmachtrolle

militärisch hinterlegen.

Schwarzbuch Bundeswehr - Zusammenfassung

Ausschnitt Bundeskanzleramt Berlin von der Spree aus
Foto: Josef Opladen

Andererseits wird die Ausdehnung der militärischen Macht Deutschlands als Verantwortung in der und für die Welt dargestellt. Es kommt also immer darauf an, wer etwas macht, dann ist es einmal gut und einmal böse.

Verschwiegen wird auch, dass der Westen die Konfrontation mit Russland aktiv herbeigeführt hat. Denn es war die europäische Union, die der Ukraine ein Assoziierungsabkommen vorlegte, welches den Bruch mit Russland zur Bedingung hatte. Gleichzeitig verlegte die NATO ihre Truppen immer näher an die Grenzen Russlands, was man ebenfalls als Bedrohungsszenario definieren könnte. Überhaupt rückt Russland wieder in die Feindesrolle aus Zeiten des kalten Krieges. Diesmal mit „hybrider Kriegsführung“. Hierbei wird speziell ausgeführt, dass der zunehmende Einsatz hybrider Instrumente eine Grauzone zwischen Krieg und Frieden schafft. In Deutschland könnten alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens zum Ziel hybrider Angriffe werden. Das soll wohl heißen, dass der Kreml heimtückisch agiert und undurchsichtige Interessen verfolgt und uns damit alle bedroht. Der Westen hingegen erscheint stets als transparent, defensiv und Werte orientiert. (Siehe hierzu auch das Kapitel der Ukraine-Konflikt)

Das Weißbuch hält sich auch nicht bei der Kritik an den Zuständen auf, sondern verlangt, dass die Ausstattung der Bundeswehr geeignet sein muss, unterschiedliche Aufgaben in verschiedenen Einsatzgebieten erfüllen zu können. Dazu müsse auch die heimische Rüstungsindustrie gestärkt werden.

Die Autoren des Schwarzbuches beschreiben das Weißbuch als Teil der psychologischen Kriegsführung des Verteidigungsministeriums. Hier würde ein Kampf um Köpfe geführt und die Rolle des Schwarzbuches sei es, die dahinter stehenden Motive und Interessen offen zu legen, sowie auch die davon ausgehenden Strategien und Rüstungsvorhaben der Regierung darzustellen. Die einzelnen Kapitel beschreiben dabei:

Den Umbau zur Armee im Einsatz (1990-2001)

Zwischen 1949 und 1990 bestand in der Bundesrepublik ein Konsens unter den Parteien, dass ein Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Bündnisgebietes eine Verfassungsänderung erfordere.

Nach der Wiedervereinigung wurde in der schwarz-gelben Koalition der Wille geäußert, diesen Konsens aufzugeben. Ein erster Einsatz hätte der erste Irakkrieg werden können, wenn nicht hunderttausende Demonstranten im Januar 1991 unter dem Motto „kein Blut für Öl“ auf die Straßen unzähliger deutscher Städte gegangen wären. Die Bundeswehr wurde mit einer Welle von Kriegsdienstverweigerern überschwemmt. In der Quintessenz bestand das deutsche Engagement am Ende in einer finanziellen Beteiligung in Höhe von knapp 17 Milliarden DM, ohne dass die Bundeswehr aktiv an den Kampfhandlungen teilgenommen hätte.

Diese Erfahrung mit der Bevölkerung ließ die Bundesregierung behutsamer mit dem Thema militärische Einsätze umgehen. Um nicht noch einmal einen so großen Widerstand hervorzurufen, schlug man eine Salamitaktik ein, ohne von dem Ziel abzurücken, die Bundeswehr auch international einzusetzen. So wurde also Schritt für Schritt Beteiligung in Richtung Kampfeinsätze vorangetrieben. In dem Kapitel ist die schrittweise Änderung der deutschen Politik bis hin zur Schaffung eines neuen Einsatzführungskommandos minutiös aufgezeichnet.

Vom Kampfeinsatz in Afghanistan zum Krieg gegen den Terror (2001-2016)

Dieses Kapitel beschreibt ausführlich die Situation in Afghanistan und wie sich die deutsche Beteiligung an diesem Kampfeinsatz entwickelt hat. Ebenso werden Einsätze in weiteren Ländern thematisiert.

Im Mai 2010 wurde der damalige Bundespräsident Horst Köhler gefragt, ob das Afghanistan- Mandat noch ausreichend sei nach dem der vermeintliche Stabilisierungseinsatz sich zu einem Krieg entwickelt habe. Köhler antwortete, dass Deutschland mit seiner Größe und seiner Außenhandelsorientierung wissen muss, dass im Zweifel auch ein militärischer Einsatz notwendig sei, um seine Interessen zu wahren. Diese Äußerung kostete Köhler sein Amt. Nicht etwa, dass er etwas gänzlich Neues gesagt hätte. Bereits die verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 definieren die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ als vitales Sicherheitsinteresse Deutschlands, dass auch Auslandseinsätze begründe. Aber es ist nicht Aufgabe des Bundespräsidenten, die so unverhohlen zu sagen.

Bundespräsident Joachim Gauck meinte eigentlich dasselbe wie Köhler, verpackte es nur geschickter. Und anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2014

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Foto: Josef Opladen

wurde sowohl von Außenminister Steinmeier, Verteidigungsministerin von der Leyen und Bundespräsident Gauck ein offensiveres Verständnis von der Rolle Deutschlands verkündet. Dieser Kurs wird seither systematisch umgesetzt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch die Bundesregierung genutzt. (Vergleiche auch die Debatten anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz 2017)

Die Bundeswehr im Wandel

Die Zunahme der militärischen Einsätze kostet viel Geld. Für die Einsätze im Ausland fallen direkte Kosten an und dazu kommen nicht unerhebliche Beiträge im Rahmen der gewollten multilateralen Verpflichtungen. Eine Bundeswehrreform führte ab 2011 zur Zusammenlegung von Einheiten und zur Schließung von 31 Bundeswehrstandorten.

Die tiefgreifendste Änderung bestand jedoch in der Aussetzung der Wehrpflicht. Die Linke lehnte damals die Umstrukturierung der Bundeswehr ab, weil sie nicht die Abschaffung sondern bloß die Aussetzung der Wehrpflicht vorsah.

Es sollte sich bald herausstellen, dass der grundlegende Widerspruch zwischen militärischer Einsatzorientierung und finanzpolitischen Sparkurs nicht funktionieren würde. Der Verteidigungshaushalt sollte auf 27,6 Milliarden € gedrückt werden. Dazu kam es aber nicht. Stattdessen lag er in 2014 bei mehr als 32 Milliarden €.

Der Ukraine-Konflikt

Zum Verständnis des immer noch andauernden Ukraine-Konfliktes widmet sich das Schwarzbuch auch dem Konflikt mit Russland.
Nach dem Ende des Kalten Krieges, zu Beginn der 1990er Jahre brachen erst der Warschauer Pakt, dann die Sowjetunion auseinander. Die NATO dagegen blieb erhalten, obwohl ihre Existenz immer mit der Gefahr durch sowjetische Truppen aus dem Osten begründet worden war. Die NATO nutzte die Schwäche des russischen Rivalen aus, um in dessen vorherigen Einflussbereich nach Osten vorzurücken.
1997 wurde der NATO-Russland-Grundlagen-Vertrag abgeschlossen. Danach strebten beide Seiten ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis an, um einen gemeinsamen Sicherheit- und Stabilitätsraum zu schaffen. Übersetzt hieß dies nichts anderes, als dass Russland die Neuaufteilung Osteuropas anerkannte. Im Gegenzug versprach die NATO, keine weiteren einseitigen Schritte durchzuführen, die die geostrategischen Interessen Russlands beeinträchtigen würden. In den neuen osteuropäischen NATO-Staaten sollte es zu keiner substantiellen Stationierung von Truppen anderer NATO-Staaten und von Atomraketen kommen dürfen. Weitere Schritte zur Vertrauensbildung wurden vereinbart, insbesondere die Einrichtung eines Beratungsgremiums, den NATO-Russland-Rat. Dieser sollte über die Vereinbarung zur Rüstungskontrolle und zur Begrenzung von Manövertätigkeiten wachen. Trotz dieser Verträge und Absichtserklärungen musste Moskau es hinnehmen, dass die drei baltischen Staaten und ehemaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen 2004 der NATO beitragen. Zumindest für Russland stellte sich damit die Frage, wie weit dieser Prozess noch gehen würde. Wie viele der anderen wirtschaftlich und geostrategisch schwachen Staaten, die aus dem Zerfall der Sowjetunion hervorgegangen sind, würde der Westen in seine Einflusssphären zu ziehen suchen. Zum offenen Konflikt kam es über ökonomische und geopolitische Interessen in der Ukraine. Diese ehemalige Sowjetrepublik ist eines der ärmsten Länder in Europa. 2013 legte die EU der ukrainischen Regierung ein Assoziierungsabkommen vor, dass die Kappung der wirtschaftlichen Bindungen zu Russland zur Voraussetzung hat. Dies musste zur Zerreißprobe in der Ukraine führen, dessen Wirtschaft mit der EU und Russland gleichermaßen eng verwoben war. Nachdem der Westen über Jahre militärisch immer weiter nach Osten vorgedrungen war, nutzte er nun seine wirtschaftliche Stärke, um russische Interessen aus der Ukraine heraus zu drängen. Perspektive sollte sein, das Land künftig enger an die NATO heranzuführen. Hierauf reagierte Moskau militärisch und annektierte im März 2014 die Halbinsel Krim und unterstützt seitdem die Abspaltungsbestrebungen im Osten des Landes.

Anders, als durch die Bundesregierung dargestellt, wird der Konflikt durch die NATO massiv angeheizt. Auf ihrem Gipfel 2014 in Wels beschloss das westliche Bündnis einen Aktionsplan zur Reaktionsfähigkeit in Osteuropa. Dieser sieht die Vorverlegung von tausenden Soldaten in Richtung russischer Grenze vor. Dies ist ein offener Bruch der NATO-Russland-Grundakte. Ziel ist eine gemeinsame Einsatztruppe mit sehr hoher Einsatzbereitschaft. Ein Landstreitkräftekontingent von 5000 Soldaten soll mit Unterstützung von Luft- und Seestreitkräften innerhalb von 2-3 Tagen in Osteuropa kampfbereit sein. Er ist Teil einer größeren Eingreiftruppe, die von 13.000 auf 30.000 Soldaten erweitert wurde. Seit 2016 ist diese Speerspitze voll einsatzfähig. Diese Maßnahmen sind Teil einer gegen Russland gerichteten Einkreisungspolitik, die ungeachtet der steigenden Kriegsgefahr fortgesetzt wird. Moskau hat bereits als Gegenreaktion mit der Stationierung russischer Kurzstreckenraketen im Gebiet Kaliningrad an der Ostseeküste gedroht, die Deutschland binnen Minuten erreichen würden. Man kann auch sagen: die NATO arbeitet daran, die nukleare Konfrontation des kalten Krieges wiederherzustellen. Das Säbelrasseln zwischen NATO und Russland ist ein ungleicher Konflikt. Während die NATO-Staaten zusammen rund 900 Milliarden $ in 2015 für ihre Streitkräfteausgaben, betrug im selben Jahr Russlands Militärhaushalt 58,3 Milliarden $. Das sind gerade einmal 6,5 % der addierten NATO-Militärausgaben. Alleine die US Militärausgaben übersteigen den russischen Militärhaushalt um das Zehnfache.

Kaum im Amt nutzte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Gelegenheit um sich in der NATO nach vorne zu drängen und „Verantwortung“ zu übernehmen. Der Konflikt mit Russland scheint die Möglichkeit zu bieten, als europäische Führungsmacht vor der eigenen Haustür tätig zu werden; natürlich mit der Unterstützung der USA im Rücken. Hierbei handelt es sich augenscheinlich um eine strategische Neuausrichtung. An der Orientierung auf Auslandseinsätze außerhalb des NATO Bündnisses wird festgehalten. Daneben verstärkt sie Anstrengungen zur „Landes- und Bündnisverteidigung“ in Europa. Das ist faktisch die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg mit Russland. Das Weißbuch 2016 erwähnt diese Neuausrichtung in allen Teilen der Streitkräfte. Auf dem NATO-Gipfel in Warschau 2016 wurde beschlossen 4000 Soldaten nach Polen und in die drei baltischen Staaten vorzuverlegen. Auch hier steht die Bundesregierung in der vordersten Reihe. Die Bundeswehr hat zu diesem Zwecke ein Bataillon mit rund 1000 Soldaten stationiert. Ähnliches Verhalten findet sich bei den Luftstreitkräften und auch bei der Marine. Selbst an Maßnahmen im Zusammenhang mit der neuen nuklearen Aufrüstung beteiligt sich die Bundesregierung.

Diese Maßnahmen sollen, wie es heißt, der Abschreckung Russlands dienen. Die spiegelbildlichen Maßnahmen Russlands werden indes als Bedrohung definiert.

Bundeskanzlerin Merkel hat vor dem NATO Gipfel 2016 das Ziel bekräftigt, auf mittlere und längere Sicht 2 % des Bruttoinlandsproduktes für den Verteidigungshaushalt bereitzustellen. Dieses Bekenntnis wurde auch früher regelmäßig abgegeben, ohne dass es beherzigt wurde. Seit Jahren liegt der deutsche Verteidigungshaushalt bei etwa 1,2 %. Mit dem erneut eskalierenden Ost-West Konflikt droht eine massive Aufrüstung der Bundeswehr. Das Schwarzbuch führt detailliert auf, wie sich der Verteidigungshaushalt verändert, welche Beschaffungen vorgesehen sind und auch, wie Geld systematisch verschwendet wird. Dabei werden einige Rüstungsvorhaben sehr detailliert dargestellt: der Schützenpanzer Puma, der Transporter Boxer, der Unterstützungshubschrauber Tiger, der NATO-Hubschrauber NH 90, das Lufttransportflugzeug A4 100 M, das Luftverteidigungssystem MEADS, das Kampfflugzeug Eurofighter, das U-Boot für Kommandoeinsätze, die Fregatte F-125, das Mehrzweckkampfschiff MKS 180. Auch die Verflechtungen zwischen Rüstungsindustrie und Politik werden dargestellt. Weitere Kapitel widmen sich dem Krieg per Fernbedienung, den Kampfdrohnen und der Cyberoffensive der Bundeswehr.

Unter dem Stichwort „Einhegung über Europa?“ gibt es Details über die Gründe der Zusammenarbeit mit anderen NATO-Staaten.

Und ein letztes Kapitel befasst sich mit den Rüstungsexporten Deutschlands.

Die Bundeswehr in Deutschland

Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist seit Jahren Ziel von konservativen Kräften in der Politik. Die Verteidigungsministerin hat auch im Weißbuch weitere Schritte angekündigt, solche Einsätze zu normalisieren. Eine Verfassungsänderung wird allerdings nicht angestrebt, da die Koalition sich uneinig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat hohe Hürden an den Einsatz der Bundeswehr im Inneren definiert. Allerdings wird die Bundeswehr im Inland mehr und mehr als Krisenhelfer ins Spiel gebracht. Gerade bei der Flüchtlingshilfe waren im November 2015 täglich mehr als 9000 Soldaten im Einsatz.

Ebenso die Forschung an den Universitäten und Forschungseinrichtungen wird durch Aufträge aus des Verteidigungsministeriums aber auch ausländischer Auftraggeber wie zum Beispiel die US-Regierung beeinflusst.

Die Bundeswehr verfügt über etwa 264 Militärstandorte in der Bundesrepublik. Die tatsächliche Zahl liegt allerdings weitaus höher, da nicht alle militärischen Einrichtungen als Militärstandorte definiert werden. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Gemeinden und deren Infrastruktur, weil sich häufig zivile und militärische Infrastruktur überlappt.

Bundeswehr und Umwelt

Eine Stunde Testflug des Eurofighter verursacht 11 Tonnen Kohlendioxid. Das ist die gleiche Menge wie jeder deutsche pro Jahr durchschnittlich produziert. Zu Lande, zu Wasser und in der Luft produzieren Fahrzeuge, Anlagen, Flugzeuge, U-Boote usw. eine Menge Lärm und sonstige schadstoffhaltigen Ausstöße. Auch dem widmet sich das Schwarzbuch in einem Abschnitt des Kapitels die Bundeswehr in Deutschland.

Kampf um die Köpfe

Seit der Aussetzung der Wehrpflicht fällt es der Bundeswehr immer schwerer, ihre Truppenstärke, die bei 185.000 Soldatinnen und Soldaten sein soll, aufzufüllen. An die Stelle des Grundwehrdienstes ist ein neuer freiwilliger Wehrdienst von bis zu 23 Monaten getreten. Dieser freiwillige Wehrdienst scheint aber nicht so attraktiv zu sein, dass die Zahlen erreicht werden können. Zusätzlich brechen mehr als ein Viertel aller Freiwilligen ihren Dienst vorzeitig ab, sodass ca. 10.000 Soldatinnen und Soldaten fehlen.

Ursula von der Leyen startete im Juni 2014 eine Attraktivitätsoffensive. Diese beinhaltete die familienfreundliche Bundeswehr, geregelte Arbeitszeiten und viele Anreize für eine Einsatzorientierung (zum Beispiel Prämien und Zulagen für den Einsatz in bestimmten Sondereinheiten.) Ebenso wurden die Ausgaben für die Nachwuchswerbung in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt und die Kosten für Anzeigen stiegen von 2008 bis 2015 um 500 %. Daneben gehen Jugendoffiziere und Karriereberater an Schulen, um dort Nachwuchs zu rekrutieren. Dazu wurde eine Kooperation mit den Bundesländern eingegangen.

Selbst Kinder sind im Visier: 2015 wurden tausende Kita Kinder besucht oder an Bundeswehrstandorten empfangen.

Natürlich geht die Bundeswehr ebenfalls zu den Karriere- und Ausbildungsmessen und zeigt dort Präsenz. Im Jahr 2015 nahm sie an etwa 2000 Messen, Ausstellungen und ähnlichen Veranstaltungen teil.

Ebenso stehen die Jobcenter im Visier der Bundeswehr, an denen häufig Sprechstunden für Arbeitssuchende angeboten werden.

Militarisierung des Alltags

Die zunehmende militärische Aktivität der Bundeswehr bleibt auch für die Gesellschaft nicht folgenlos. Die immer mehr werdenden Einsätze und die steigenden Kosten erfordern eine gleichsam erhöhten Kriegsbereitschaft innerhalb der Gesellschaft. Dies soll dazu dienen, die militärische Entwicklung auch wissenschaftlich, politisch und strukturell zu tragen. Die Bundeswehr nimmt also zunehmend mehr Raum in der Öffentlichkeit ein.

Hinzu kommt die Förderung des Spitzensports, in dem den Sportsoldaten nur ein minimaler Anteil an militärischer Ausbildung abverlangt wird. Zu 70 % können Sie sich rein ihrem Sport und Training widmen.

Trotzdem hat die Bundeswehr erhebliche Rekrutierungsprobleme. Und ein zentraler Punkt scheint die (immer noch) weiterhin verankerte Ablehnung von Kriegen in der Bevölkerung zu sein. Im Buch angeführt wird, dass eine Befragung zur Zeit der Münchener Sicherheitskonferenz 2014 ergab, dass sich nur 22 % der Befragten für ein militärisches Eingreifen aussprachen.

Aktiv gegen den Krieg

Das letzte Kapitel des Buches widmet sich dem Widerstand gegen den Krieg. Es zeigt Stationen und Höhepunkte der letzten 100 Jahre im Kampf für den Frieden und gegen den Krieg auf. Exemplarisch will ich nur die massenhafte Mobilisierung gegen den zweiten Golfkrieg (2003) aufführen, wo alleine in Berlin über 500.000 Menschen demonstriert haben. Die Autoren gehen dabei davon aus, dass Bundeskanzler Schröder seine zweite Wahl zum Bundeskanzler nur der Ablehnung einer Beteiligung Deutschlands am Irakkrieg zu verdanken hatte.

Am Ende des Buches stellen die Autoren Argumente zur Verfügung, wie sich der alltägliche Widerstand gegen den Krieg artikulieren kann. Ich führe hier nur die Überschriften an:
Lasst euch nicht verheizen, Alltäglicher Widerstand, Bundeswehr – heraus aus den Schulen, Für zivile Hochschulen, Vor Ort aktiv: Rüstungsatlanten, Blockaden und Camps und Stoppt den Waffenhandel.

Der letzte Beitrag widmet sich der Opposition gegen Aufrüstung, Rüstungsexporte und Krieg und lädt zur Diskussion über verschiedene Themen ein, bevor ein Glossar verschiedene Begriffe aus dem militärischen erläutert.

Meine Bewertung: ein sehr informatives und lesenswertes Buch!

Josef Opladen