Das Ende des Kapitalismus – oder auch nicht?

Thomas Pfaff Arndt Klocke Ulrike Herrmann

Thomas Pfaff, Arndt Klocke und Ulrike Herrmann

Ein Bericht über die Buchvorstellung von Ulrike Herrmann in Köln

Ulrike Herrmanns neues Buch „Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden“ weckt das Interesse vieler Menschen. In den Talkshows, YouTube-Formaten wie „Jung und Naiv“ und öffentlichen Veranstaltungen wie am 18. Januar in Nippes – organisiert von Attac Köln – diskutiert sie mit dem Publikum wie Klimaschutz aussehen könnte. Der Titel ihres Buches wirkt zugespitzt; ein Ende des Kapitalismus fordert sie. Ein frischer Wind kommt in die Klimadebatte, denn sonst überwiegt doch bislang nur eine ungenügende Leistung der Ampelregierung hinsichtlich der Klimagerechtigkeit. In den letzten Monaten dominierte eher ein Diskurs der Kriminalisierung von Klimaschützenden, wie jüngst mit Aktivist:innen der „Letzten Generation“. Doch wenn man sich die Thesen Herrmanns näher anschaut, bleibt einiges unklar und es überwiegt dann doch ein mulmiges Gefühl, was die Journalistin eigentlich meint.

Über die Verhältnisse

Beispielsweise bleibt ihr Verständnis von Kapitalismus unklar. Sie behauptet, der Kapitalismus sei in erster Linie nicht durch Ausbeutungsverhältnisse von Arbeitenden durch Unternehmer:innen strukturiert, sondern durch technologischen Fortschritt. Als Fan des Kapitalismus gibt sie sich, denn der Kapitalismus habe Wohlstand gebracht. Ignorieren tut sie die Errungenschaften der Arbeiter:innenbewegung, die vor allem für die sozialen Rechte gekämpft hat. Der Marxismus habe ihrer Meinung nach genau dasselbe Bild von Ausbeutung wie die Neoliberalen. Die Neoliberalen fordern niedrige Löhne aufgrund der systematischen Bedingungen, um im Wettkampf auf den Märkten bestehen zu können und die Marxist:innen seien nicht besser, denn sie würden dieses System dadurch legitimieren, dass sie diese Ausbeutungsverhältnisse als solche analysieren. Was sie hier verschweigt ist, dass die einen eben diese Verhältnisse beibehalten möchten und die anderen diese transparent machen und abschaffen möchten. Auch verschweigt sie, dass Marxist:innen selbstverständlich für bessere Löhne und bessere Bedingungen aller unterprivilegierten Menschen streiten.

Gerechtigkeit durch Rationierung

Der Kapitalismus, hier spricht sie eine richtige Sache an, führt zu struktureller Umweltzerstörung, da Unternehmen einem Wachstumszwang unterliegen, der auch nicht durch grünes Wachstum gestoppt werden kann. Gleichzeitig möchte sie eben nicht die Eigentumsverhältnisse verändern, der eben die Wirtschaft aus dem Teufelskreis der Profitmaximierung herauslösen könnte, sondern möchte diese beibehalten. Stattdessen sollen – angelehnt an die Kriegswirtschaft Großbritanniens während des 2. Weltkriegs – Rationierungsmaßnahmen durchgeführt werden, der eine gerechte Verteilung von Gütern vorsieht. Planwirtschaft sei das aber nicht, da die Eigentumsverhältnisse unangetastet bleiben. Stellt sich nur die Frage, was das für eine Wirtschaftsordnung sein soll, bei der Güter staatlich verteilt, die Marktmechanismen, aber unangetastet bleiben sollen.

Die ökologische Transformation

An anderer Stelle bleibt Herrmann wiederum zaghaft. Die ökologische Transformation ist eine Mammutaufgabe, denn in Deutschland sind viele wichtige Betriebe von einer ökologischen Transformation betroffen, wie z.B. die Chemie- oder Automobilindustrie. Facharbeiter:innen bei den großen Automobilkonzernen würden grüne Jobs nicht annehmen, da der Lohn niedriger ausfallen würde. Daher könne man damit auch politisch nicht werben, weil diese Forderungen zu unpopulär seien. Dieser Konflikt darf natürlich nicht unterschätzt werden. Die Industrie muss große Schritte unternehmen und auch im Energiewesen müssen immense Anstrengungen übernommen werden, um die Wirtschaft nachhaltig und emissionsfrei gestalten zu können.

Die Widersprüche kapitalistischer Wirtschaftsordnung

Gleichzeitig blendet Hermann aber die große Vermögensungleichheit in diesem Land aus. Eine solche Transformation könnte durch Jobgarantien im grünen Sektor mit gut bezahlten Löhnen, die notfalls staatlich über Umverteilungsprogramme organisiert werden, kompensiert werden. Laut einer Studie des Soziologen Klaus Dörre würden viele Beschäftigte bei VW bei gleichbleibenden Arbeitsbedingungen und Entlohnung auch einer Beruf nachgehen, der im Pflegesektor angesiedelt wäre. Auch kann der Staat deutlich mehr investieren, um die Transformation auf der makropolitischen Ebene vollziehen zu können. Am Bewusstsein der Menschen mangelt es nicht, sondern an den materiellen Begebenheiten. Insofern bleibt Herrmann hier zaghaft und möchte die großen Vermögenden nicht in die Pflicht für eine klimagerechte Wende nehmen. Viel selbstbewusster trat hingegen Thomas Pfaff von Attac Köln auf, der in Form einer Büttenrede die Widersprüche kapitalistischer Wirtschaftsordnung auf den Punkt gebracht hat. Er sorgte anfangs für viel Stimmung und hat die Veranstaltung anschließend souverän moderiert. Witz: “In einer begrenzten Welt gibt es unbegrenztes Wachstum” – Tusch – “Wenn jeder zu jedem gemein ist, entsteht automatisch das Gemeinwohl” usw, usf.

Und die Grünen…?

Noch unambitionierter als Ulrike Herrmann trat hingegen Arndt Klocke, Landtagsabgeordneter für Köln III (Nippes und Ehrenfeld) der Partei Bündnis90/Die Grünen auf. Unkonkret positioniert er sich zu den Forderungen von Herrmann. Stattdessen spricht er darüber, dass zu viele Menschen die Gehaltsklasse von Abgeordneten überschätzen und die Aufgabenfülle unterschätzen würden. Er hinterlässt eine unangenehme Note, wenn Politiker, wie Klocke, in Zeiten wachsender sozialer Ungleichheit durch Preissteigerungen eine solche Aussage tätigen. Grundsätzlich galt bei Klocke dasselbe Credo, wie sonst bei den Grünen: Verantwortungen werden an die Koalitionspartner geschoben. Vieles scheitere an den Anderen. Dabei muss unterstrichen werden, dass die Grüne Partei in Köln, NRW und im Bund die Regierung stellen, vielfach die verkehrs- und energiepolitischen Positionen bekleiden. Statt Sonntagsreden sollten Taten folgen, das forderten auch einige Teilnehmende aus dem Publikum.

(Sergen Canoglu)