Für Verkehrswende in Köln statt neuer Tunnelabenteuer

Beschluss der Mitgliederversammlung DIE LINKE.Köln am 26.09.2023

I. Für eine Verkehrswende in Köln

Unter der Verkehrswende in der Stadt verstehen wir ein Abkehr vom Auto als häufigstem und bevorrechtigten Verkehrsmittel, hin zu den nachhaltigeren Alternativen ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr. Die Verkehrswende ist erforderlich, um effiziente und bezahlbare Mobilität für alle in der Stadt zu ermöglichen und dabei CO2, Lärm und Abgas zu reduzieren. Köln will bis 2035 klimaneutral werden. Das ist ohne Verkehrswende nicht möglich. Mobilität ist auch eine soziale Frage. Viele Kölner Haushalte besitzen überhaupt kein eigenes Auto. Arme Menschen gehen überproportional oft zu Fuß, nutzen das Fahrrad oder den ÖPNV, sofern er für sie bezahlbar ist.

Die KVB ist derzeit in einer akuten Krise. Die Fahrplankürzungen und Verspätungen sind Folgen zahlreicher Versäumnisse des Managements. Verspätungen oder Ausfälle sollten nicht betrieblich bedingt sein und nicht häufiger als in 10% aller Fahrten auftreten. Vor der Kommunalwahl hatten Grüne, Volt, die parteilose Frau Reker und sogar die CDU eine Verkehrswende in Köln versprochen. Heute stellen wir fest: Sie liefern nicht. Der schwarz-grüne Kompromiss in Köln lautet: Etwas mehr Fahrrad hier, ein wenig Verkehrsberuhigung da und sonst bleibt es beim Vorrang des Autoverkehrs. Das ist keine Verkehrswende und so wird Köln auch nicht klimaneutral, schon gar nicht bis 2035.

Es ist jetzt höchste Zeit, zu handeln! Dafür wird sich DIE LINKE in Köln einsetzen. Wir danken dem AK Verkehr für die Langfassung dieses Antrags, die wir zur weiteren Diskussion zur Kenntnis nehmen und beschließen heute die folgenden Positionen.

II. Für ein 2,5 Mrd. Euro Aktionsprogramm von Stadt und KVB zu Ausbau und Ertüchtigung der KVB

Ausbau des oberirdischen KVB Schienennetzes um 100 km bis 2035

Die Lücken des KVB Schienennetzes, vor allem in den Außenbezirken und zu den Umlandgemeinden, müssen bis 2035 geschlossen werden. Dafür ist von heute aus ein Ausbau des Schienennetzes um ca. 100 km erforderlich.

Wir unterstützen die oberirdische Kapazitätserweiterung der Linie 1. Die von der Verwaltung geplante Alternative mit 90m-Zügen ist einem Tunnel auf jeden Fall vorzuziehen. Das Bündnis Verkehrswende hat eine Alternative mit taktverdichteten 60m-Zügen ins Spiel gebracht. Der AK Verkehr wird gebeten, diese zeitnah zu prüfen und der MV dazu Bericht zu erstatten.

Darüber hinaus sollen zahlreiche Trassen für zukünftige Schienenverbindungen offengehalten werden. Die neuen Linien im Stadtbahnnetz sollen im Niederflur-Netz errichtet werden, damit mehr Möglichkeiten für neue Linienkombinationen entstehen. Auch die Vorschläge des Bündnis Verkehrswende für Umweltbrücken (ÖPNV/Fahrrad/Fußverkehr) in Köln begrüßen wir und bitten den AK Verkehr, diese zeitnah zu prüfen und der MV über das Ergebnis zu berichten.

Das jahrelange Debakel mit den Rolltreppen und Aufzügen der KVB kann nicht so weiter gehen. Die KVB soll endlich eine ehrliche Ursachenanalyse vorlegen. Andernfalls soll die Stadt unabhängige Fachleute beauftragen, um die tatsächlichen Probleme zu ermitteln und eine machbare Lösung aufzuzeigen. Aufzüge und Rolltreppen müssen durchschnittlich zu 99% der Zeit verfügbar sein.

Die KVB bietet mit „ISI” ein On-Demand-Minibus für die „letzte Meile” an. Zum Einsatz sollen barrierefreie Fahrzeuge kommen. Wir begrüßen das und unterstützen eine räumliche und zeitliche Ausdehnung des Projekts auf ganz Köln.

Für „Gute Arbeit” (DGB-Index) und ein mitarbeiterorientiertes Arbeitsklima bei der KVB

Die Realeinkommen der KVB Mitarbeiter:innen sind in den letzten Jahrzehnten stark gesunken. Das macht die KVB als Arbeitgeber unattraktiv. Eine deutliche Erhöhung, vor allem im Fahrdienst, ist dringend erforderlich. Wir unterstützen die Gewerkschaft ver.di in den anstehenden Tarifauseinandersetzungen, begrüßen deren Zusammenarbeit mit FFF und fordern den KVB Vorstand auf, darüber hinaus im Fahrdienst übertarifliche Zulagen einzusetzen.

Anhand des DGB-Index „Gute Arbeit” soll die KVB eine genaue Belastungsanalyse für den Fahrdienst erstellen, um daraus gemeinsam mit dem Betriebsrat konkrete Maßnahmen ableiten zu können. Ergänzend ist erst ein Moratorium und dann eine Reduzierung bei den Vorstandsgehältern und – Pensionen erforderlich. Vorstände, die zum Leben 30.000€ im Monat brauchen plus üppiger Pensionszusage sind einfach zu weit weg von der Lebensrealität in Köln und ihren Mitarbeiter:innen.

III. Das Fahrrad als wesentlicher Faktor der Verkehrswende

Köln braucht eine flächendeckende Radverkehrs-Infrastruktur. Dazu müssen

  • Auf allen mehrspurigen Straßen ohne ausreichende Rad- und Fußwege eine Spur in einen vom Autoverkehr physisch getrennten Radstreifen umgewandelt werden.
  • Die in den Bezirken bereits beschlossenen Radverkehrkonzepte zeitnah umgesetzt werden.

Dazu braucht es mehr Planer:innen in den Bezirken. Wir fordern eine zügige Verdoppelung dieser Kapazität auf 2 Stellen pro Stadtbezirk,

Die Realisierung eines stadtübergreifenden, engmaschigen Radverkehrsnetzes soll bis 2035 abgeschlossen sein. Zusätzlich braucht es Radschnellverbindungen, die Stadteile untereinander und die Stadt mit dem Umland verbinden. Um ÖPNV und Rad gemeinsam nutzen zu können, braucht es sichere und komfortable Abstellanlagen an Bahnhöfen und Haltestellen. Das KVB-Rad sollte in allen Stadtteilen verfügbar werden.

Wir unterstützen den Radentscheid Köln.

IV. Straßen und Plätze den Menschen, nicht den Autos!

Wir wollen lebenswerte Plätze und Straßen die zum (konsumfreien)Flanieren, Spielen oder einfach zum Aufenthalt einladen, auch für Menschen mit Handicap. Wir fordern den Umbau von Autostraßen zu lebensfreundlichem öffentlichem Raum:

  • Bänke, Bäume, Brunnen und Spielmöglichkeiten bilden die Vorrausetzung für menschenfreundliche Quartiere in Köln Zentrum, den Bezirken und jedem Veedel.
  • Umverteilung von Flächen wie Fahrspuren und Parkplätzen
  • Weniger direkte Wege. Keine Durchfahrt durch die Veedel, sondern Bündelung des Kfz-Verkehrs auf einigen wenigen Straßen.
  • Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Stadt
  • Neubaugebiete müssen autoarm geplant werden.

Das Auto wird im Sinne einer Verkehrswende seine privilegierte Stellung abgeben müssen. Die LINKE unterstützt Verkehrsversuche mit dem Ziel, das Auto zurückzudrängen, Fuß- und Radverkehr zu fördern und die Lebensqualität zu steigern. Wo ein Auto nötig ist, bietet sich Car-Sharing an. Es braucht mehr Stationen, gerade in den Außenbezirken.

Eine Reduzierung des Autoverkehrs rein über die Kosten – wie etwa eine Innenstadtmaut – lehnen wir ab.

V. Verkehrswende für alle in Köln – Fahrpreise senken bis zum Nulltarif

In Köln werden jedes Jahr die Fahrpreise erhöht, bei gleichzeitiger Verschlechterung des Angebots.

Wir fordern als Schritte zum Nulltarif:

  • 9 Euro Ticket für finanziell schlechter gestellte Menschen wie Bürgergeld- und Wohngeldbeziehende.
  • Nulltarif für Schülerinnen, Azubis, Studierende und Buftis
  • 9-Euro Sozialticket für alle KölnPass-Inhabende
  • im Gebiet des VRS für das Deutschlandticket die gleichen Mitnahmemöglichkeiten wie für andere Abos zu gewähren

Vl. Verkehrswende in Gefahr — Stopp der Tunnelabenteuer

Die in den 90er Jahren getroffene Entscheidung für 4km Nord-Süd-Tunnel unter der Altstadt fraß die Ressourcen, die für den Ausbau der KVBSchiene in der Fläche und ins Umland erforderlich gewesen wären. Heute droht eine Neuauflage dieser Erfahrung und ein Scheitern der Verkehrswende in Köln.

Die Untertunnelung der Ost-West-Achse lehnen wir außerdem ab, weil

  • der Bau eines U-Bahn-Kilometers 98.600 Tonnen CO2 verursacht
  • die Feinstaubentwicklung in Bahn-Tunneln enorm hoch ist
  • ein Tunnelbau mindestens 7 mal teurer ist als eine oberirdische Lösung
  • im Tunnel nicht mehr Menschen befördert werden können als oberirdisch
  • in der Innenstadt eine jahrelange, riesige Dauerbaustelle entstände
  • die Linien 3,4, 16 und 18 am Neumarkt für Jahre unterbrochen wären
  • mit zwei riesigen Tunnelrampen der Heumarkt zerschnitten und das Mauritiusviertel getrennt würden
  • wir der KVB nicht zutrauen, bis zu 29 m tiefe Rolltreppen und Aufzüge zuverlässig zu betreiben

VII. Aktionsorientierung

Wir haben in unserem Arbeitsprogramm beschlossen, eine Projektgruppe zur Verkehrswende in Köln zu starten und die Petition des Bündnis Verkehrswende „Oben bleiben mit der Straßenbahn! Verkehrswende statt Tunnel!” zu unterstützen. Wir wollen in den Ortsverbänden regelmäßig Unterschriften durch Infostände, Haustürgespräche und andere Aktionen sammeln.

Aufgaben der Projektgruppe:

  • Information + Diskussion zur inhaltlichen Einstimmung möglichst in allen OVen
  • Erstellung Info-Flyer und 10-Fragen-Liste für Straßenaktionen der OVen
  • Organisation von Aktionen, auch gemeinsam mit Bündnis Verkehrswende und weiteren
  • Petition unterstützen und Unterschriften sammeln
  • Aktionstag gestalten
  • linkes Kino mit Film zu Stuttgart21 & Tunnelmania
  • Erarbeitung des Entwurfs eines verkehrspolitischen Programms für Köln unter Mitwirkung zivilgesellschaftlicher Akteure und Vorlage zur Verabschiedung durch die MV Mitte 2024

Die Ratsfraktion wird gebeten, das Projekt insbesondere mit Anträgen und Anfragen im Rat zu unterstützen sowie den Klageweg gegen den Tunnel juristisch prüfen zu lassen.