Weiter wie bisher – Ampel verschläft Verkehrswende

Weiter wie bisher - Ampel verschläft VerkehrswendeDer Verkehr ist mit 20% nach Energiewirtschaft und Industrie der drittgrößte Erzeuger von CO2 in Deutschland.  Was hat sich die Ampel-Koalition für die Verkehrswende vorgenommen? Seit 2009 waren für den Verkehr CSU-Minister zuständig, zuletzt Andreas Scheuer, die dafür gesorgt haben, dass der Autoverkehr weiter subventioniert wird, Tempo 30 in der Stadt die Ausnahme bleibt und es kein Tempolimit auf der Autobahn gibt, wie es in fast allen anderen Ländern der Welt gilt. Kommt nun die Verkehrswende? Wir haben uns den Koalitionsvertrag angeschaut und hier ist der Befund:

Koalitionsvertrag – Bereich Verkehr

Wohlklingende Worte leiten das Kapitel ein: “Mobilität ist für uns ein zentraler Baustein der Daseinsvorsorge”. “Dabei wollen wir erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren, um prioritär Projekte eines Deutschlandtaktes umzusetzen.”

Aber: Die Worte Verkehrswende oder Mobilitätswende kommen im Koalitionsvertrag nicht ein einziges Mal vor. Zur dringend notwendigen Reduzierung des Autoverkehrs und Umverteilung des öffentlichen Raums zugunsten des Umweltverbunds findet sich keine Aussage. Bezeichnend auch das: Zum Radverkehr gibt es einen dürren Absatz. Zum Fußverkehr gar nur 1 Satz.

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV): Weiter wie bisher

Sehr knapp ist auch der Abschnitt zum ÖPNV. Bestehende Instrumente sollen verlängert, die Digitalisierung vorangetrieben werden.

Es findet sich keine Wende hin zur Ausfinanzierung eines preiswerten, attraktiven, ausgebauten ÖPNV. Lediglich vage wird ein „Ausbau- und Modernisierungspakt“ angestrebt, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen unter anderem über die Finanzierung bis 2030 einschließlich der Eigenanteile der Länder und Kommunen und die Aufteilung der Bundesmittel verständigen sowie Tarifstrukturen “diskutieren“ sollen.

Hinter dem Satz „Am Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre halten wir fest“ verbirgt sich dass öffentliche Zuschüsse zu Verkehrsunternehmen nur bewilligt werden dürfen, wenn eine ausreichende Verkehrsbedienung aus eigenen Mitteln allein nicht gewährleistet werden kann. Damit bleiben komplizierte Verfahren bestehen, um an Finanzmittel zu gelangen, und wird die eingangs proklamierte „Mobilität als Teil der Daseinvorsorge“ konterkariert.

Positiv: Tarifvertragstreue als Bedingung bei Ausschreibungen. Eine erweiterte Straßenverkehrsordnung soll auch Klima- und Gesundheitsschutz-Ziele umfassen und den Kommunen mehr Spielräume geben (z.B. für Tempo 30 auch auf Bundesstraßen).

Weiter Vorfahrt für das Auto 

  • Beim Autoverkehr geht es ausschließlich um eine Antriebswende, um den Aufbau der Infrastruktur für E-Mobilität, finanziert vom Steuerzahlenden. Und mit keinem Wort um das Zurückdrängen des Autoverkehrs zugunsten von Bahn, öffentlichem Nahverkehr und Fahrrad.
  • Beim Bundesfernstraßenbau will man mehr Wert auf Sanierung statt auf Ausbau legen. Schaut man genauer hin, dann heißt das aber nur, dass die Sanierungsmittel „bei wachsendem Etat“ erhöht werden, nicht jedoch, dass der Aus- und Neubau gestoppt und Mittel umgeschichtet werden.
  • Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan sind 850 km neue Autobahnkilometer vorgesehen, darunter ja auch 6 neue BAB-Spuren rund um Köln. Diese Projekte sollen in einem „Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden“ überprüft werden. Über bereits angelaufene Projekte (z.B. Dannröder Forst) will man sich mit den Verbänden „abstimmen“, was immer das heißt. All dies kann natürlich dauern. Besonders mit einem FDP-Verkehrsminister. Gestoppt wird bis dahin kein einziges Autobahn- und Fernstraßenprojekt.
  • Die Pendlerpauschale wird nicht angerührt. Finanzmittel für Dienstwagenprivileg (jährlich rund 5,Mrd.) oder Dieselsubvention (jährlich rund 8 Mrd.) werden nicht umgewidmet.

Damit bleibt es insgesamt bei den hohen Subventionen des Autoverkehrs. Wie die proklamierten Mehrausgaben für die Schiene finanziert werden sollen, bleibt unklar, da bekanntlich die FDP weder Steuererhöhungen für Reiche noch Kreditfinanzierungen zulassen will. 

Aufspaltung der Bahn

Allgemeine Ziele sind bis 2030 die Verdoppelung der Verkehrsleistung im Personenverkehr und die Steigerung des Schienengüterverkehrs auf 25 Prozent. Das sind eigentlich Schritte in die richtige Richtung und man müsste diskutieren, ob sie weitgehend genug sind. Das praktische Problem der Ampel wird aber erstmal die Umsetzung sein, denn es sind nur wenige Mini-Maßnahmen konkret vorgesehen (z.B. Gleisanschlüsse in neuen Gewerbegebieten „prüfen“, Nachtzüge sollen wieder gefördert werden). Und schon gar nicht geht dies mit mehr Markt auf der Schiene. Genau das ist aber geplant.

Die Deutsche Bahn AG soll als integrierter Konzern in öffentlichem Eigentum erhalten bleiben, aber aufgespalten werden in zwei Bereiche: Infrastruktur und Fahrbetriebe. Die neue Infrastruktur-Sparte (DB Netz, DB Station und Service) soll im DB-Eigentum bleiben und „gemeinwohlorientiert“ sein.

Doch die Fahrbetriebe – bei der DB sind dies DB Fernverkehr, DB Regio und DB Cargo – sollen nach wie vor „markt- und gewinnorientiert im Wettbewerb weitergeführt“ werden. Das heißt: Weiterhin können private Betriebe Konkurrenz machen, sich die einträglichen Strecken raussuchen und solche Strecken der Bahn überlassen, die keine Gewinne abwerfen. Egal wir wichtig sie für die Anbindung der Menschen und Unternehmen in der Region sein mögen. Für die Bahnkunden entsteht so ein unübersichtlicher Flickenteppich. Schon jetzt kann man bei Flixbahn im Fernverkehr nicht mit den DB-Tickets fahren und diese auch dort nicht buchen. Das ist erst der Anfang und wie sowas endet, kann man in Großbritannien besichtigen.

Außerdem ist es ein alter Trick der Arbeitgeber, mit solcherart Privatisierung zu Lasten der  Beschäftigten die geltenden Tarifverträge zu unterlaufen.

Die Investitionsmittel für die DB Infrastruktur sollen erhöht und die Preise möglichst verbilligt werden. Das angestrebte Modell läuft darauf hinaus, dass die staatliche DB bzw. die Steuerzahlenden für die Infrastruktur aufkommen, welche (neben der DB) die privaten Betreiberfirmen dann kostengünstig nutzen. 

Leider nicht einbezogen werden die laut Verband der Verkehrsunternehmen (VdV) rund 3.000 stillgelegten Streckenkilometer, die sofort reaktivierbar wären und 120 Mittelzentren wieder miteinander verbinden würden – und das ohne Planungsbürokratie, weil sie nach wie vor als Bahnstrecken gewidmet sind.

Fazit: Hehre Ziele, wenige konkrete Trippelschritte. Eine Mobilitätswende wird es mit dieser Ampel nicht geben.